Impulsbeitrag von Gabi Fechtner
»Lenin, der proletarische Internationalismus und die internationale sozialistische Revolution«
Impulsbeitrag von Gabi Fechtner zum Block 8 beim internationalen Seminar der ICOR »Lenins Lehren sind lebendig« vom 13. bis 15. September 2024
Liebe Genossinnen und Genossen,
Lenin konkretisierte den proletarischen Internationalismus, den Marx und Engels vorgezeichnet hatten, für die Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolution.
Als sein Wesen definierte er, »daß die Interessen des proletarischen Kampfes
in jedem einzelnen Lande den Interessen des proletarischen Kampfes im Weltmaßstab untergeordnet werden.«1
1914, am Beginn des Ersten Weltkriegs, als die sozialdemokratischen Parteien
der kriegführenden Länder fast ausnahmslos auf die Position des Sozialchauvinismus übergegangen waren, verteidigte Lenin den proletarischen Internationalismus entschieden gegen alle Einflüsse des Sozialchauvinismus und Opportunismus in der Arbeiterbewegung.
Der Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion, die Internationalen Brigaden gegen den spanischen Faschismus unter Franco,
die Niederlage des Hitler-Faschismus – das alles waren grandiose Projekte und Siege des proletarischen Internationalismus.
Die ICOR kennzeichnet eine neue Qualität des proletarischen Internationalismus im imperialistischen Weltsystem auf der Stufe der Neuorganisation der internationalen Produktion.
Die MLPD hat sich in ihrem Parteiprogramm verpflichtet, Verantwortung für die kämpfenden Arbeiter und Volksmassen auf der ganzen Welt zu übernehmen und jede Aufgabe als Bestandteil der Vorbereitung der internationalen sozialistischen Revolution zu verwirklichen.
2. Der proletarische Internationalismus ist auch heute der Gegenpol zu einer weltweiten faschistischen Gefahr in Wechselwirkung mit der Weltkriegsvorbereitung und dem Beginn einer globalen Umweltkatastrophe.
All das stürzt die Menschheit in eine latente Existenzkrise.
Der unlösbare Widerspruch verschärft sich zwischen den internationalisierten Produktivkräften und den nationalstaatlich organisierten kapitalistischen Produktionsverhältnissen.
Diesen Widerspruch kann kein Trump, keine Meloni, keine AfD aufheben.
Das Rad der Geschichte lässt sich nicht zurück drehen.
Nur die internationale sozialistische Revolution kann und wird den internationalisierten revolutionären Produktivkräften zum Durchbruch verhelfen.
3. Lenin hat mit der erfolgreichen Oktoberrevolution die Strategie von Marx und Engels über die internationale sozialistische Revolution weiterentwickelt.
Über die Bedeutung der Oktoberrevolution dafür schrieb er, »daß das Eis gebrochen, daß die Bahn frei gemacht, daß der Weg gewiesen ist. … .«2
Als Lenin feststellen musste, dass die Kette der internationalen Revolution zunächst gerissen war, wertete er 1921 aus:
„Schon vor der Revolution und auch nachher dachten wir:
Entweder sofort oder zumindest sehr rasch wird die Revolution in den übrigen Ländern kommen, in den kapitalistisch entwickelteren Ländern, oder aber wir müssen zugrunde gehen.
Trotz dieses Bewußtseins taten wir alles, um das Sowjetsystem unter allen Umständen und um jeden Preis aufrechtzuerhalten, denn wir wußten, dass wir nicht nur für uns, sondern auch für die internationale Revolution arbeiten.“3
Die heutige marxistisch-leninistische Strategie und Taktik der internationalen sozialistischen Revolution beruht auch auf der materiellen Grundlage der Neuorganisation der internationalen kapitalistischen Produktion.
Sie hat nichts gemein mit dem trotzkistischen Gerede von »internationaler Revolution«, womit sie ihre Kapitulation vor der Vorbereitung und Durchführung der sozialistischen Revolution im eigenen Land bemänteln und sie auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben.
Die Strategie und Taktik der internationalen sozialistischen Revolution ist ein Orchester der verschiedenen revolutionären Prozesse in den einzelnen Ländern.
»Aus dieser Tatsache darf man natürlich nicht den Schluss ziehen, in irgendeinem Land auf die mögliche Durchführung einer proletarischen Revolution zu verzichten.«4
4. Es gibt keine Revolution ohne oder gegen die Arbeiterklasse und die Volksmassen.
Die Massenlinie ist grundlegend im Marxismus-Leninismus und den Mao-Zedong-Ideen.
Deshalb muss als Ziel der ersten, nicht revolutionären, Etappe im Klassenkampf die entscheidende Mehrheit des internationalen Industrieproletariats für den Sozialismus gewonnen und die breiten Massen in den Kampf gegen Regierung und Monopole einbezogen werden.
Dafür braucht der Sozialismus ein neues Ansehen.
Wer ungeduldig und revolutionaristisch diesen Schritt überspringen will, der arbeitet nicht ernsthaft an der Vorbereitung der Revolution.
Heute haben die Herrschenden mit einem internationalen System der kleinbürgerlichen Denkweise mit dem Kern der kleinbürgerlich-antikommunistischen Denkweise einen Damm gegen den wissenschaftlichen Sozialismus errichtet.
Gleichzeitig haben die Arbeiter und Massen aber auch berechtigte Fragen,
wie Fehler im sozialistischen Aufbau passieren konnten, warum es heute kein sozialistisches Land mehr gibt, wie ein erneuter revisionistischer Verrat verhindert werden kann.
Die Ursache für den Verrat am Sozialismus war das Vordringen der kleinbürgerlichen Denkweise bei führenden Leuten in Staat, Wirtschaft und Partei, woraus eine neue Bürokratie entstand, die den Kapitalismus restaurierte.
Die MLPD hat aus dieser Erfahrung die entscheidende Schlussfolgerung gezogen, dass der Sozialismus heute auf Grundlage der proletarischen Denkweise aufgebaut werden muss.
Das bedeutet, dass die Massen wirklich ihren Sozialismus aufbauen.
Dafür muss eine proletarische und demokratische Streitkultur verwirklicht und Kritik und Selbstkritik als Entwicklungsgesetz gefördert werden.
Die Massen müssen eine Kontrolle über ihre Führung ausüben.
Dazu brauchen sie auch Rechte, Leute zu kritisieren oder gar abzusetzen, bei denen eine kleinbürgerlich-egoistische und kleinbürgerlich-karrieristische Denkweise vorgedrungen ist und die nicht mehr im Sinne des Sozialismus arbeiten.
Nicht umgekehrt: dass diese Funktionäre alles dominieren und die Leute unterdrücken, die Kritiken haben.
Es braucht ein System der Selbstkontrolle – Kontrolle von oben, Kontrolle von unten und Selbstkontrolle.
Wesentliche Strukturen für diese Kontrollfunktion sind Gewerkschaften, Massenorganisationen, die weitgehende Rechte haben.
Der Sozialismus funktioniert nur, wenn die Leute ihn selber tragen, die Arbeiterklasse wirklich die Herrschaft hat!
Natürlich müssen Feinde des Sozialismus konsequent bekämpft werden, aber dabei muss sorgfältig herangegangen werden.
Wir lehnen eine „Kopf-ab-Politik“, wenn jemand Fehler gemacht hat, ab.
Sie ist sehr schädlich, weil sie nicht von der Veränderlichkeit der Denkweise beziehungsweise der Menschen ausgeht.
Wer an der Veränderlichkeit der Denkweise zweifelt, kann keinen Sozialismus aufbauen.
Zum echten Sozialismus gehört auch, dass weltanschauliche Fragen – wie der religiöse Glaube - nicht per Dekret gelöst werden können.
Es muss ein aktiver weltanschaulicher Kampf, ein massenhafter Kampf um die Denkweise geführt, die Arbeiter und breiten Massen geschult, ausgebildet und ihre demokratische Initiative gefördert werden, damit sie Bürokratismus, Karrierismus und revisionistischen Verrat durchschauen.
Das ist eine hauptsächliche Aufgabe der marxistisch-leninistischen Partei und der Diktatur des Proletariats im Sozialismus, die das alles schützen und gewährleisten muss.
Lenin erkannte bereits die ausschlaggebende Rolle der Denkweise und führte aus:
„Jeder dieser Übergänge (der proletarischen Massenbewegung – G.F.) wurde vorbereitet einerseits durch das Wirken des sozialistischen Denkens …, anderseits durch die tiefgreifenden Veränderungen in den Lebensbedingungen und in der ganzen Denkweise der Arbeiterklasse.“5
Leider ist Stalin davon wieder tendenziell abgekommen und so wurden in seiner Zeit die Widersprüche im sozialistischen Aufbau zum Teil nicht richtig behandelt.
5. Mit der verschärften Krisenhaftigkeit des imperialistischen Weltsystems tritt auch die latente Krise der bürgerlichen Ideologie immer häufiger offen hervor.
Als Ausdruck der gesellschaftlichen Verwirrung gelingt es Teilen der Massen und auch der Jugend in ihrer berechtigten Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen nicht mehr, zwischen links und rechts zu unterscheiden.
In ihren Köpfen mischt sich Kapitalismuskritik mit opportunistischen Konzepten oder gar dem Einfluss sozialchauvinistischer bis zu faschistischer Hetze.
Um diese weltanschauliche Verwirrung aufzulösen und die Massen für einen neuen Aufschwung im Kampf um den Sozialismus zu gewinnen,
brauchen wir eine populäre Sozialismus-Propaganda mit dem Kern einer bewussten Strategie und Taktik im Kampf um die Denkweise.
Nur mit der Konzentration der Kräfte und im direkten Angriff auf die kleinbürgerliche Denkweise oder die sozialfaschistische Demagogie
können wir den Massen helfen, mit der kleinbürgerlichen Denkweise fertig zu werden und die Überlegenheit der proletarischen Weltanschauung und Denkweise organisieren.
Die praktische Arbeit muss dafür geeignet ausgerichtet werden.
Es gilt zu beachten, dass die herrschende Meinung die Meinung der Herrschenden ist, wie Marx sagte, und es nicht beliebig in unserer Macht liegt, das zu wenden.
Wir entschieden, unsere Kräfte auf die Beteiligung an der Landtagswahl in Thüringen, wo AfD-Chefideologe Höcke kandidierte, zu konzentrieren - eine Wahl, auf die ganz Europa schaute.
Mit unserer Hauptlosung „Wer AfD wählt, wählt Faschismus!“ gingen wir mitten rein in den polarisierten Kampf um die Denkweise unter den Massen, nahmen in tausenden von Gesprächen die Demagogie der AfD auseinander, klärten auf, was Faschismus ist.
Wir organisierten mit Kundgebungen, Demonstrationen und Kampfaktionen Höhepunkte, mit denen wir den Faschisten Niederlagen beibrachten in ihren Zentren, wo keine ihrer Veranstaltungen wie geplant stattfinden konnte, wir jeweils die stärkste Kraft waren und die zeitweise Meinungsführerschaft eroberten.
Die Kultur des proletarischen Internationalismus hatte dabei eine ausschlaggebende Rolle.
Wir sagten „Wer den Faschismus der AfD bekämpfen will, der muss die MLPD unterstützen!“ und kämpften um die Erweiterung der antifaschistischen Einheitsfront mit neuen Bündnispartnern.
Zugleich warben wir für den echten Sozialismus und bauten MLPD und unseren Jugendverband REBELL entschlossen auf.
6. Liebe Genossinnen und Genossen,
das Ziel der internationalen sozialistischen Revolution muss heute der Aufbau der vereinigten sozialistischen Staaten der Welt sein.
Heute sind mit der Neuorganisation der internationalen Produktion
die vereinigten sozialistischen Staaten der Welt materiell vorbereitet.
Das wird allerdings durch die globale Umweltkatastrophe infrage gestellt.
Es hat ein Wettlauf mit der Zeit begonnen, rechtzeitig die vereinigten sozialistischen Staaten der Welt zu erkämpfen.
Der massenhafte Kampf um die Denkweise, um die entscheidende Mehrheit der Arbeiterklasse und der breiten Massen dafür zu gewinnen, einen neuen Anlauf im Kampf um den Sozialismus in Angriff zu nehmen, gewinnt welthistorische Bedeutung.
1 Lenin, »Ursprünglicher Entwurf der Thesen zur nationalen und zur kolonialen Frage«, Werke, Bd. 31, S. 136/137
2 Lenin, »Zum vierten Jahrestag der Oktoberrevolution«, Werke, Bd. 31, S. 37
3 Lenin, Kongress der III. Kommunistischen Internationale, zitiert nach „Morgenröte der internationalen sozialistischen revolution“, S. 44
4 Stefan Engel, »Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution«, S. 152/153
5 Lenin, »Neue Aufgaben und neue Kräfte«, Werke, Bd. 8, S. 201 (1905)