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Vor 75 Jahren: Reichstagsbrand – Vorwand zur Etablierung der faschistischen Diktatur in Deutschland

Einen Monat nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, am 27. Februar 1933, brannte der Reichstag in Berlin. Bis dahin hatten zahlreiche bürgerliche und sozialdemokratische Politiker noch geglaubt, auch die Hitler-Regierung werde sich an die bestehenden Gesetze halten, war Hitler doch „legal“ – durch die Unterschrift des Reichspräsidenten Hindenburg – als Regierungsoberhaupt eingesetzt worden. Doch der Reichstagsbrand war eine Inszenierung, um den Hund von der Kette zu lassen.

Vor 75 Jahren: Reichstagsbrand – Vorwand zur Etablierung der faschistischen Diktatur in Deutschland
Foto: Bundesarchiv

Noch in der Nacht der Brandstiftung wurde die KPD dafür verantwortlich gemacht und es kam zu Massenverhaftungen. Allein in Berlin wurden 1.500 Kommunisten, Sozialdemokraten und demokratisch gesinnte Bürger festgenommen, im ganzen Reichsgebiet mehr als 10.000. Am Folgetag unterzeichnete Hindenburg eine Notverordnung, die sofort in Kraft trat. Mit ihr wurde die Weimarer Verfassung faktisch beseitigt und alle in ihr enthaltenen bürgerlich-demokratischen Rechte aufgehoben. Der zügellose faschistische Terror begann. Schon in den ersten Monaten der Hitler-Diktatur wurden 460 Sondergesetze und Verordnungen erlassen und es entstanden die ersten Konzentrationslager. Unter diesen Bedingungen fanden am 5. März noch einmal Reichstagswahlen statt. Der Vorsitzende der KPD, Ernst Thälmann, war zwei Tage vorher verhaftet worden. Vier Tage nach der Wahl ließ Hitler die Reichstagsmandate der KPD annullieren und schuf so eine Mehrheit, die gegen die Stimmen der SPD am 23. März im Reichstag das „Ermächtigungsgesetz“ beschloss: Die Nazi-Regierung konnte nun ohne Zustimmung des Parlaments Gesetze erlassen.

 

Geschichtslügen des „Spiegel“

Allein die Hitlerfaschisten hatten ein Interesse am Reichstagsbrand – er kam sozusagen wie bestellt. Mit ihren lächerlichen Anschuldigungen, nach denen die KPD den Brand als Signal zum Umsturz entfacht habe, erlitten sie sogar in einem selbst organisierten Schauprozess in Leipzig ein komplettes Fiasko. Im brennenden Reichstag war der holländische Anarchist Marinus van der Lubbe verhaftet worden; am 9. März wurden Georgi Dimitroff, der Leiter des westeuropäischen Büros der Kommunistischen Internationale in Berlin, und zwei weitere bulgarische Kommunisten, Blagoj Popoff und Vasil Taneff, verhaftet und beschuldigt, an der Brandstiftung beteiligt gewesen zu sein. Im Reichstagsbrandprozess, der wenige Monate später unter internationaler Beobachtung stand, mussten sie freigesprochen werden. Der halbblinde van der Lubbe wurde als Alleintäter verurteilt und hingerichtet – selbst gegen das zur Zeit der Urteilsverkündung geltende Recht und obwohl es technisch für ihn gar nicht möglich gewesen war, in dem riesigen Gebäude alleine die verheerenden Brände zu legen. „Und die anderen!?“, schrie er seinen Henkern vor der Hinrichtung am 10. Januar 1934 verzweifelt entgegen.

In dem am 1. August 1933 in Paris von deutschen Antifaschisten herausgegebenen „Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror“ wurden zahlreiche Hinweise und Indizien für die Täterschaft der Nazis selbst veröffentlicht. Natürlich wurden diese Informationen in der Zeit des Faschismus unterdrückt, doch auch nach dem Krieg gab es immer wieder Versuche, die Nazis reinzuwaschen und damit dem „Ermächtigungsgesetz“ einen Hauch von Legitimation zu geben:

1959/60 veröffentlichte „Der Spiegel“ eine sensationell aufgemachte Artikelserie, die 1962 auch als Buch erschien. Der Verfasser Fritz Tobias wollte damit den angeblichen „Braunbuch-Lügen“ entgegentreten und die Faschisten von jeder Beteiligung freisprechen. Tobias war niedersächsischer Ministerialbeamter des Verfassungsschutzes, seine Zeugen suchte er in den Reihen alter Nazis: den SS-Obersturmbannführer Dr. Walter Zirpins, der 1933 im Auftrag des faschistischen Ministers Göring in der Sache ermittelt hatte (er wurde von Polen als Kriegsverbrecher gesucht, konnte in der BRD aber wieder Landeskriminaldirektor werden); den Leiter der Reichstagsbrandkommission, Dr. Rudolf Braschwitz, der nach 1945 Leiter der Kripo in Dortmund wurde; Dr. Heinrich Schnitzler von der Gestapo, der in der Brandnacht an den Verhaftungen mitwirkte und in der BRD als Ministerialrat im nordrhein-westfälischen Innenministerium weiterwirkte. Diesen Freispruch der Faschisten in eigener Sache segnete der Bochumer Geschichtsprofessor Hans Mommsen trotz erwiesener Zitatenfälschungen, Unterschlagung von Indizien und erwiesener Einschüchterung überlebender Zeugen im „Vierteljahresheft für Zeitgeschichte“ sozusagen offiziell ab.

Unter Leitung des Schweizer Historikers Walther Hofer wurden dagegen jedoch 1972 und 1978 zwei Dokumentationsbände erstellt, mit denen die Täterschaft der Nazis eindeutig nachgewiesen wurde.

 

Geschichtslügen der „Zeit“

Nun trat ein weiteres Leitmedium der Herrschenden auf den Plan. Am 21. Februar 1986 titelte „Die Zeit“: „Ende einer Fälschung. Es bleibt dabei: Die Nazis haben den Reichstag nicht angezündet.“ Reißerisch wurde damit das Buch „Reichstagsbrand – Aufklärung einer historischen Legende“ angekündigt. Mit einer üblen Diffamierungskampagne, die sich gegen Professor Hofer und seine Mitarbeiter richtete, wurde der erneute Versuch gestartet, die Nazis zu rehabilitieren. Beteiligt an diesem Manöver war damals neben anderen auch der heutige Professor an der Technischen Universität Chemnitz, der „Parteien- und Extremismusforscher“ Eckhard Jesse, der sich regelmäßig damit hervortut, gegen die MLPD zu hetzen.

1992 erschien als Antwort auf die „Zeit“-Kampagne im Freiburger Ahriman-Verlag die Neuauflage des Buchs „Der Reichstagsbrand – Eine wissenschaftliche Dokumentation“ von Hofer/ Calic/Graf/Zipfel/Bahar und 1994 deckte Dr. Alexander Bahar, Mitarbeiter des Schweizer Bundesarchivs in Bern, darüber hinaus auf, dass ein SA-Mann, der 1933 gegen die Nazi-Version aussagen wollte, von Hitlers Gestapo deswegen ermordet worden war (siehe: „Neues Deutschland“, 26./27. Februar 1994, S. 13: „Der Mordfall Rall“).

Erst Ende 2007 wurde das Terrorurteil gegen van der Lubbe aufgehoben (siehe „Rote Fahne“ 4/08, S.18/19: „Im Hintergrund: Die Monopole“), ohne dass allerdings seine Alleintäterschaft in Frage gestellt wurde. Immerhin heißt es aber heute in einer vom deutschen Bundestag veranstalteten historischen Ausstellung:

„Den noch immer nicht restlos aufgeklärten Anschlag legte die NS-Propaganda sofort den Kommunisten zur Last … Der Reichstagsbrand fügt sich derart stimmig in die nationalsozialistischen Pläne zur Ausschaltung aller oppositionellen Kräfte ein, dass schon bald auch der Verdacht einer NS-Täterschaft aufkommt.“ („Wege – Irrwege – Umwege“, Ausstellungskatalog, S. 212)

Hier zeigt sich ein gewisser Erfolg des Kampfes gegen bürgerliche Geschichtslügen und dies ist ein Ansporn für alle Antifaschisten, in der Aufklärung über die Verbrechen des Hitler-Regimes nicht nachzulassen! (dk)