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„Pegida“ – konterrevolutionäres Ziehkind der Herrschenden

Aus Rote Fahne 4/2015: Seit spätestens Mitte Januar erfolgt eine massive Aufwertung der rassistischen „Pegida“-Bewegung in nahezu allen bürgerlichen Medien.

„Pegida“ – konterrevolutionäres Ziehkind der Herrschenden
Pegida-Demo in Dresden im Januar 2015 | Foto: Kalispera Dell (CC BY 3.0)

Hatte Angela Merkel noch in ihrer Neujahrsansprache vor „Pegida“ gewarnt, buhlen inzwischen führende CDU-Vertreter im Wettstreit mit der ultrareaktionären AfD um die Gunst der „Pegida“-Macher. Systematisch wird versucht, „Pegida“ gesellschaftsfähig zu machen. Vorläufiger Höhepunkt: Am 18. Januar machte Günther Jauch aus seiner sonntäglichen ARD-Talkrunde eine Werbesendung für die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Nicht ein einziger linker, antifaschistischer oder gar revolutionärer Vertreter der bundesweit immer stärker anschwellenden Protestbewegung gegen „Pegida“ stand auf seiner „Gästeliste“. Warum wird eine Bewegung, die wochenlang nur wenige Hundert Rassisten und Faschisten und von ihnen beeinflusste Leute mobilisieren konnte, derart gefördert?

Bei Günther Jauch konnte sich „Pegida“-Gründerin Kathrin Oertel fast völlig unwidersprochen ausbreiten. Die Wirtschaftsberaterin und Immobilienexpertin präsentierte sich als Unschuldslamm im Gewande einer „ganz normalen Frau“. Ihr zur Seite stand das Vorstandsmitglied der ultrareaktionären AfD, Alexander Gauland. Der CDU-Vertreter in der Runde, Jens Spahn, hielt die Positionen der „Pegida“ nahezu allesamt für „verhandelbar“. Wolfgang Thierse (SPD) erteilte Belehrungen, äußerte aber keinerlei klare Kritik.

Die rechte Runde wurde vervollständigt durch Frank Richter, den Chef der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, einer Institution, deren Nähe zum Inlandsgeheimdienst unbestritten ist. Der altkatholische Theologe Richter offenbarte sich kaum verschleiert als Sympathisant der rassistischen „Pegida“-Bewegung. Er habe sich – natürlich nur zur Beobachtung – fleißig an den Dresdner Demonstrationen beteiligt. Trotz seiner offenkundigen „Pegida“-Sympathie wurde er schon seit Tagen in zahlreichen bürgerlichen Medien als angeblich neutraler Experte herumgereicht.

Damit nicht genug: Am 19. Januar öffnete er die Räume der – staatlich geführten und finanzierten – Landeszentrale für die erste Pressekonferenz der „Pegida“-Spitze. Neben ihm auf dem Podium präsentierte er nicht nur Frau Oertel, sondern auch Lutz Bachmann, den mehrfach vorbestraften Hauptredner und Haupthetzer der „Pegida“. Seit Tagen stehen die Front-Leute der rassistischen Bewegung unter staatlichem Personenschutz wie sonst nur die Spitze der Berliner Politiker. Die „Bild“ brüstet sich am 20. Januar damit, sämtliche „Pegida“-Fragen schon immer vertreten zu haben.

Nicht nur von vielen bürgerlichen Medien und Politikern erfährt „Pegida“ freundliche Unterstützung. Inzwischen bestätigt auch die „Frankfurter Rundschau“ (FR), was Korrespondenten der „Roten Fahne“ bereits in der letzten Ausgabe berichteten: „Pegida“-Teilnehmerzahlen werden von der Polizei maßlos übertrieben. In der FR-Ausgabe vom 20. Januar berichtet Protestforscher Dieter Ruch, wie die Polizei-Führung in Dresden die Teilnehmerzahl am 12. Januar in Dresden um fast 50 Prozent auf 25.000 hochfabuliert hat. Offensichtlich sollte die Illusion einer stets wachsenden Bewegung aufrechterhalten werden.

Selbst Zeitungen und Fernsehsendungen, die sich kritisch zu einzelnen „Pegida“-Positionen äußern, vertuschen und verharmlosen den eigentlichen Charakter von „Pegida“.

Die MLPD deckt seit Jahren auf, wie neue Formen faschistischer Organisationen entstehen bzw. aufgebaut werden. Dazu gehört auch der weniger national, sondern religiös begründete Faschismus, wie wir ihn mit den islamistisch-faschistischen Bewegungen erleben. Dazu zählen die von den imperialistischen Mächten aufgebauten faschistischen Organisationen wie der „Islamische Staat“. Sie werden so lange gefördert, wie sie den Interessen der Imperialisten dienen. Eine Schlüsselrolle dabei spielen auch aufstrebende Regionalmächte mit eigenen imperialistischen Interessen wie Saudi-Arabien und Katar.

Teilweise bekämpfen sich die unterschiedlichen faschistischen Fraktionen wie die Salafisten und die „Hooligans gegen Salafisten“ („Hogesa“) untereinander. Aber in ihrem Hass gegen alles Fortschrittliche, gegen Frauenrechte, gegen Linke und Revolutionäre sind sie sich völlig einig. Sie verbindet ein aggressiver Antikommunismus.

Pegida“-Gründerin plaudert konterrevolutionären Charakter aus

Darin liegt auch die Verbindung zu „Pegida“. Kathrin Oertel plauderte bei Jauch den konterrevolutionären und antikommunistischen Charakter der „Pegida“ erstmals offen aus. Ausgangspunkt von „Pegida“ war – so Oertel wörtlich – „als Kurden und Linke auf die Straße gingen, um für Waffenlieferungen an die PKK zu demonstrieren“. Das hat weder etwas mit dem Abendland noch mit dem Islam zu tun, wie „Pegida“ sonst vorgibt, sondern richtet sich direkt gegen fortschrittliche und revolutionäre Menschen in Deutschland und gegen den Befreiungskampf des kurdischen Volkes. Ausgerechnet die kurdischen Befreiungskämpferinnen und -kämpfer, die heute an vorderster Front gegen den islamistisch-faschistischen IS stehen, sind also die erklärten Gegner der selbst erklärten „Retter des Abendlandes“!

Pegida“ ist keine aus der „Mitte der Gesellschaft“ entstandene Bewegung, sondern durchsetzt und angeführt von einschlägig bekannten faschistischen und faschistoiden Kräften aus der NPD, Pro-NRW, neofaschistischen Kameradschaften usw. Als ein „Sammelbecken offen neofaschistischer Kräfte wie der NPD, dubioser Terrorbewegungen wie die ,Hogesa‘ und faschistoider und ultrareaktionärer Organisationen wie der AfD“ charakterisierte Stefan Engel, der Vorsitzende der MLPD, „Pegida“ bereits Mitte Dezember.

Seit Wochen berichten Dresdner Antifaschisten, wie gegen sie eine Pogromstimmung verbreitet wird. Am 13. Januar wurde ein 20-jähriger Asylsuchender aus Eritrea in Dresden ermordet. Aber nicht die Antifaschisten oder Flüchtlinge bekommen Polizeischutz, sondern die Führer der rassistischen Bewegung!

Pegida“ wurde gegründet als …

Im Herbst letzten Jahres wurde „Pegida“ aus der Taufe gehoben und schon damals von bürgerlichen Massenmedien über alle Maßen hochgejubelt. Das war genau die Zeit, als der kurdische Freiheitskampf einen unübersehbaren Aufschwung nahm, die heldenhafte Schlacht um Kobanê in aller Munde kam und die Verbrüderung zwischen dem kurdischen Kampf und der internationalen revolutionären Bewegung spürbar wuchs. Stefan Engel, Vorsitzender der MLPD und Hauptkoordinator der revolutionären Weltorganisation ICOR, sprach vor rund 70.000 Menschen bei der großen Solidaritätsdemonstration am 11. Oktober 2014 in Düsseldorf. Unter riesigem Beifall forderte er unter anderem die Aufhebung des Waffenembargos gegen die PKK/PYD und die Freilassung des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan. Die PKK gewann enorm an Ansehen, unter anderem durch die erfolgreiche Evakuierung Tausender Yeziden, die vor dem Terror des IS in die irakischen Berge geflohen waren. Zehntausende forderten – wie die MLPD seit Jahren – zusammen mit fortschrittlichen und demokratischen Menschen eine Aufhebung des PKK-Verbots. Die Bundesregierung sah sich gar genötigt, pro forma eine Unterstützung irakisch-kurdischer Peschmerga-Truppen aufzunehmen, um nicht als herz- und tatenlos dazustehen.

Oertels Aussage belegt, dass genau gegen diese wachsende Sympathie für den Befreiungskampf und revolutionäre Kräfte „Pegida“ gegründet wurde. Dabei erwies sich „Pegida“ auch als erfolgversprechender als die offen faschistische und gewalttätige „Hogesa“, die am 26. Oktober 2014 durch Köln randalierte. Die skandalöse Rolle der Polizei, die „Hogesa“ die Straße überließ, geriet in eine Massenkritik. Die aggressiven faschistischen „Hogesa“-Schläger laufen inzwischen – bis auf weiteres – unter dem pseudo-friedlichen Aushängeschild von „Pegida“.

Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten

Wegen angeblich „konkreter Morddrohungen“ gegen „Pegida“-Hetzer Bachmann war am Montag ein allgemeines Demonstrationsverbot in Dresden verhängt worden. Obwohl „Pegida“ in freundschaftlicher Beratung mit den Spitzen der sächsischen Polizei ihre Demonstration abgesagt hatte! Damit bestand auch formal keinerlei Vorwand mehr für die drakonische Maßnahme. Inzwischen wird der mehr als dubiose Gehalt der angeblich „konkreten Gefahrenlage“ auch in bürgerlichen Zeitungen weithin bezweifelt.

Angst vor Terror wird genutzt

Seit den mörderischen Terroranschlägen gegen die Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Supermarkt in Paris am 7. Januar erleben wir einen neuen Schub der Faschisierung des Staatsapparats auf europäischer Ebene. Angst und Unsicherheit werden geschürt, um noch mehr Überwachung, Grenzkontrollen bis hin zu „finalen Todesschüssen“ zu rechtfertigen. Eine Stimmung, auf die auch „Pegida“ zielt.

Die imperialistischen Geheimdienste haben allesamt engste Verbindungen zu sämtlichen faschistischen Bewegungen und sind teilweise über V-Leute und Agenten mit ihnen verwoben. Woher sonst wissen sie so genau über 3.000 faschistische Islamisten Bescheid, vor deren Rückkehr sie jetzt warnen? In Deutschland ist die enge Verquickung des Geheimdienstes mit den faschistischen NSU-Killern besonders offenkundig.

Die Herrschenden fürchten nichts mehr als den vereinigten Kampf des internationalen Proletariats und aller Unterdrückten gegen ihre bis zum Exzess betriebene Ausplünderung von Mensch und Natur. Eine sozialistische Alternative zu diesem verkommenen kapitalistisch-imperialistischen System versuchen sie unter allen Umständen zu unterdrücken. Faschistische, rassistische Bewegungen und Organisationen zu fördern, gehört fest ins konterrevolutionäre Konzept der Herrschenden. Das ist das Gegenstück zur Faschisierung des Staatsapparats und zum Abbau bürgerlich-demokratischer Rechte und Freiheiten.

Inzwischen versuchen wachsende Teile der Herrschenden in Deutschland, solche konterrevolutionären Banden wie „Pegida“ gesellschaftsfähig zu machen. Die internationalen Monopole stecken dabei in der Zwickmühle. Einerseits schadet jede faschistische Aktivität in Deutschland ihrem internationalen Ansehen. Andererseits haben sie allergrößtes Interesse an einer solchen Bewegung gegen revolutionäre Bestrebungen unter den Massen.

Aber das bleibt nicht unwidersprochen. Bereits in der Vorwoche demonstrierten 100.000 Menschen in Deutschland gegen „Pegida“ und Co. In Frankreich waren es sogar mehrere Millionen, die gegen die faschistischen Anschläge in Paris demonstrierten und gegen Spaltungsversuche gegenüber Migranten und wegen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit. In den letzten Tagen waren wieder Zehntausende gegen „Pegida“ auf der Straße. Vom 15. bis 19. Januar waren es erneut mindestens 65.000 Menschen. Selbst da, wo – wie in Bielefeld – die rassistische „Pegida“ sich nicht mehr auf die Straße traute, demonstrierten Zehntausend. 19 Gegendemonstrationen wurden für den 21. Januar gegen die Leipziger „Pegida“ angemeldet. Der Ausgang in Leipzig stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Auf jeden Fall erlebt Deutschland derzeit eine der größten antifaschistischen und internationalistischen Massenbewegungen der letzten Jahrzehnte.

Dabei muss der konterrevolutionäre Charakter von „Pegida“ weiter entlarvt werden. Nach Jauchs Sendung waren alle Medien voll von „Pegida“. Aber dass „Pegida“ ausdrücklich gegen Linke und (kurdische) Revolutionäre gegründet wurde, musste man am Montag mit der Lupe in der Presse suchen und am Dienstag war es bereits vollständig verschwunden. Seitdem wird wieder fleißig die Legende gestrickt, es gehe vor allem um den Islam oder Flüchtlinge. Die MLPD fordert das Verbot aller faschistischen Organisationen und ihrer Propaganda. Sie ruft zur Verteidigung des Demonstrationsrechts und zur aktiven Teilnahme an den Protestdemonstrationen und Blockaden gegen „Pegida“ auf. Der konsequenteste Weg gegen „Pegida“ ist die Stärkung der revolutionären Kräfte in Deutschland und weltweit.