Kapitel II
Kapitalismus und Umweltzerstörung - Der moderne Antikommunismus in der Umweltfrage
Nicht zufällig attackiert der moderne Antikommunismus gerade in jüngster Zeit verstärkt die weltanschaulichen Grundlagen des Marxismus zur Einheit von Mensch und Natur.
Bereits 1983 war anlässlich des 100. Todestags von Karl Marx der sogenannte »Wissenschaftsstreit über Marx und die Naturfrage« zwischen dem Ökonomieprofessor Hans Immler und dem Philosophen Wolfdietrich Schmied-Kowarzik entbrannt. Angesichts einer Renaissance von Marx’ Lehren im Zusammenhang mit verstärkter Kapitalismuskritik erfuhr ihr Buch 2011 eine Neuauflage.
Im Vorwort ihres Buchs beschwören die Autoren ihre Übereinstimmung, dass die weitere Entwicklung der Menschheit von der »Lösung der ›Naturfrage‹« abhänge. (Hans Immler, Wolfdietrich Schmied-Kowarzik, »Marx und die Naturfrage«, S. 7)
Beiden ist bewusst, dass die kapitalistische Gesellschaft, die klassenneutral als »wertgetriebene Industriegesellschaft« umschrieben wird, die Lebensgrundlagen der Menschheit bedroht. Doch in trauter Gemeinsamkeit verzerren beide auf ihre Weise die revolutionäre Position des Marxismus in der Frage der Einheit von Mensch und Natur.
Schmied-Kowarzik möchte sich in der Rolle des Verteidigers von Marx profilieren. Ihn interessiert aber ausschließlich der »philosophische Denker«, da Marx für die praktische Lösung der Umweltfrage ohnehin nicht zu gebrauchen sei.
Dagegen spielt Immler den Part des offen Aggressiven. Er behauptet, »dass die Marxsche Theorie einer Lösung des wohl größten Zukunft bestimmenden Menschheitsproblems eher im Wege steht. … Es bleiben die absoluten und sich verheerend auswirkenden Fehler in der Marxschen Theorie, dass nur die menschliche Arbeit als wertproduktiv und somit die Natur als wertunproduktiv behandelt wird.« (ebenda, S. 9/10)
Das ist eine glatte Fälschung der Marx’schen Positionen – wohl in der Hoffnung, dass keiner das Original zurate zieht. Immler »übersieht« in seiner platten Auslegung der Marx’schen Kritik an der politischen Ökonomie des Kapitalismus das Wesentliche: die dialektische Unterscheidung von Tauschwert und Gebrauchswert der Waren.
Da den Kapitalisten aufgrund seiner Profitgier und der gesetzmäßigen Konkurrenz nur die Akkumulation seines Kapitals interessiert, unterwirft er den gesamten Stoffwechsel von Mensch und Natur der Erzeugung von Tauschwert. Der Gebrauchswert verkümmert zum bloßen Mittel zum Zweck der Profitmacherei. Das haben Marx und Engels nun wirklich nicht zu verantworten! Die »Kritik« Immlers an Marx gleicht dem absurden Vorwurf an den Arzt, er habe wegen seiner Diagnose eines Krebsgeschwürs dieses gefälligst auch zu verantworten.
Im März 2013 erschien das Buch von Ralf Fücks1 »Intelligent wachsen – Die grüne Revolution«. Es richtet sich explizit an alle, die angesichts des Scheiterns der kleinbürgerlichen Umweltbewegung nach revolutionären Alternativen suchen. Fücks attackiert darin Karl Marx und seine wissenschaftlichen Lehren über die nachhaltige Verwirklichung der Einheit von Mensch und Natur.
»Marx ging davon aus, dass die kapitalistischen Produktionsverhältnisse (alsbald) zu eng für die stürmische Entwicklung der Produktivkräfte würden. Dann werde die Stunde der Revolution als Geburtshelfer einer neuen, sozialistischen Gesellschaft schlagen. Stattdessen häutete sich der Kapitalismus mit jeder Krise und ging verjüngt aus ihr hervor. Insoweit ist auch die Kritik am Kapitalismus Teil seines Erfolgs. … Schon die Urväter des Sozialismus unterschätzten gründlich die Wandlungsfähigkeit der kapitalistischen Produktionsweise.« (S. 304/305)
Fücks meint, den von Marx aufgedeckten Grundwiderspruch der kapitalistischen Produktionsweise zwischen den sich revolutionär entwickelnden Produktivkräften und den reaktionären Produktionsverhältnissen schon dadurch beiseite wischen zu können, dass der Kapitalismus bisher an seinen Krisen nicht zugrunde gegangen sei.
Von der Warte seiner eigenen, inzwischen privilegierten gesellschaftlichen Situation und Reputation aus meint er, über die verheerende allgemeine Krisenhaftigkeit des Imperialismus hinweggehen zu können.
Wie jeder bourgeoise Nutznießer der kapitalistischen Produktionsweise himmelt er Produktivität, Technik und Wissenschaft an, um seine absurde Theorie zu begründen, der Kapitalismus gehe aus jeder Krise verjüngt hervor. Er vertuscht dabei ausdrücklich, wie der Kapitalismus seine Krisen löst: durch die Steigerung der Ausbeutung der Arbeiterklasse, durch Vernichtungsschlachten im Konkurrenzkampf, durch Kriege, durch verstärkte Niederhaltung der Massen, die sich gegen die Abwälzung der Krisenlasten zur Wehr setzen, und durch fortschreitende Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit.
»Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen?«, fragte Marx im »Manifest der Kommunistischen Partei« und fuhr fort: »Dadurch, daß sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.« (Marx/Engels, Werke, Bd. 4, S. 468)
Nicht umsonst erklärte die Geschäftsführerkonferenz des führenden deutschen Monopolverbands »Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)« am 28. Mai 2013 Ralf Fücks zum gern gesehenen Gast und brachte seinem Buch »wohlwollendes Interesse« entgegen. (»Frankfurter Allgemeine Zeitung« vom 27. Mai 2013) Im bürgerlichen deutschen Blätterwald wurde sein antikommunistisches Machwerk hoch gelobt.
Der geläuterte einstmalige Spitzenfunktionär der kleinbürgerlichen marxistisch-leninistischen Bewegung scheint aus Sicht der Herrschenden eine Idealbesetzung zu sein, um die Arbeiter- und Umweltbewegung mit seinem grün garnierten Gebräu aus modernem Antikommunismus und imperialistischem Ökologismus zu beglücken.
»Wer sich für die Revolution begeistert, der findet in der grünen Revolution ein weites, lohnendes Betätigungsfeld: vom Engagement für globale Gemeingüter bis zum ›Urban Farming‹. Die Freisetzung einer neuen Welle von Erfindergeist, Enthusiasmus und Unternehmertum verändert die Welt mehr als alle Kongresse zur Wiederbelebung des Kommunismus.« (»Intelligent wachsen – Die grüne Revolution«, S. 166)
Wie allerdings die globale Umweltkatastrophe, die Armut, der Hunger von Hunderten Millionen und die Kriege mit »Urban Farming« und dem »Engagement für globale Gemeingüter« verhindert werden sollen, bleibt das Geheimnis des hoch bezahlten grünen Spitzenphilosophen.
Es ist kein Zufall, dass Fücks exakt in einer historischen Situation, in der sich die Erkenntnis Bahn bricht, dass die Umweltfrage eine Systemfrage ist, gegen diesen Erkenntnisfortschritt wettert.
»Man tut der ökologischen Frage keinen Gefallen, wenn man sie als trojanisches Pferd des Antikapitalismus benutzt. Wer sich in den alten Schützengräben verschanzt, verschenkt damit Bündnismöglichkeiten bis in die Unternehmen hinein.« (ebenda, S. 304)
Karl Marx und Friedrich Engels haben genial und visionär die Zusammenhänge zwischen der kapitalistischen Produktionsweise und den natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit untersucht. Sie haben damit der internationalen revolutionären Arbeiterbewegung wertvollste Grundlagen hinterlassen, die sie entschieden gegen alle Verfälschungen und antikommunistischen Verleumdungen verteidigen und auf die heutigen Bedingungen anwenden muss.