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EU und Faschisierung der Staatsapparate

Die BRD fordert eine EU-Grenzpolizei mit hoheitlichen Befugnissen, für die im Koalitionsvertrag vom 16. Oktober 2002 ein »Zieldatum« festgelegt werden soll. Schon auf dem EU-Sondergipfel in Tampere/Finnland am 15. und 16. Oktober 1999 wurden weitreichende Beschlüsse gefasst. Dazu gehörte der dann im Sommer 2002 beschlossene EU-Haftbefehl, der alle Länder verpflichtet, Gesuchte sofort auszuliefern, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, Rechtsmittel einzulegen. Der Aufbau einer »europäischen Staatsanwaltschaft« EUROJUST wurde vereinbart; die europäische Polizeibehörde EUROPOL, deren Ermittler strafrechtliche Immunität genießen, wurde EU-weit mit operativen Befugnissen ausgestattet. Sie ist unter maßgeblichem Druck der BRD entstanden, die nicht nur ihren Leiter stellt, sondern auch 25,9 Prozent der Schlüsselpositionen besetzt.

Wesentliches Ziel internationaler Vereinbarungen ebenso wie der nationalen Gesetzgebung ist die Sicherung der internationalen Produktion. Die Monopole brauchen die Sicherheit des weltweiten Datenflusses und der Warentransporte. Mit einem Grundsatzurteil verpflichtete deshalb der Europäische Gerichtshof unmittelbar nach einem Fernfahrerstreik in Frankreich die Regierungen, die »Grundfreiheit« des internationalen Güteraustauschs notfalls mit Gewalt durchzusetzen.

(Stefan Engel: Götterdämmerung über der »neuen Weltordnung«, Revolutionärer Weg, Nr. 29–31/2003, S. 542)



Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Kampf gegen den »Terrorismus« ist zum Hauptfaktor der Faschisierung der imperialistischen Staatsapparate geworden. Dass sie so systematisch betrieben wird, ist eine Reaktion auf die Internationalisierung des Klassenkampfs und dient der Vorbereitung auf eine revolutionäre Weltkrise. (...)

Die Außen- und Sicherheitspolitik galt zunächst als zentrale nationale Zuständigkeit und blieb den Mitgliedsstaaten der EU vorbehalten. Doch in den 1970er und 1980er Jahren wurde sie mehr und mehr bei der EU institutionalisiert. Im Vertrag von Maastricht verpflichteten sich die EU-Staaten 1992 erstmals zu einer »Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik« (GASP). Mit dem am 1. Mai 1999 in Kraft getretenen Vertrag von Amsterdam wurde das Amt des »Hohen Vertreters der GASP« geschaffen, der seit dem 1. Dezember 2009 auch Generalsekretär des Rats der Europäischen Union ist.

Während sich die EU-Staaten an der internationalen Antiterrorismuskoalition beteiligten, suchte die EU zugleich ihren eigenen Gewaltapparat auszubauen, um ihr internationales Gewicht im Konkurrenzkampf mit den anderen imperialistischen Großmächten und Blöcken zu erhöhen. (...)

Was hier als »humanitäre Aufgaben« verkauft werden soll, ist nichts anderes als der weltweite Einsatz der EU-Interventionstruppen zur Niederschlagung revolutionärer Befreiungsbewegungen und zur Sicherung und Ausdehnung des Machtbereichs der EU. Der Vertrag enthält auch die Verpflichtung der EU-Staaten, sich beim Vorgehen gegen Massenproteste, Streiks und revolutionäre Bestrebungen innerhalb Europas gegenseitig zu unterstützen. Er rechtfertigt bewaffnete Interventionen und sogar die Besetzung eines EU-Lands, um den Sieg einer Revolution zu verhindern.

Die Europäische Verfassung konnte zunächst nicht in Kraft gesetzt werden, weil sie 2005 bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden keine Mehrheit bekam. (...)



Eine einheitliche Richtung für den Ausbau der Gewaltapparate gab das »Stockholmer Programm« vor, das im Dezember 2009 auf einem EU-Gipfel beschlossen wurde.

(Stefan Engel: Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution, Revolutionärer Weg Nr. 32–34/2011, S. 270–273)