5.
EU und Agrarpolitik
Die Landwirtschaft befindet sich im Zangengriff der Bank-, Industrie- und Handelsmonopole, wobei der eine Zangenhebel von den Monopolen der Landmaschinen- und Düngemittel-Produktion und der andere von der Nährmittelindustrie und dem Großhandel bedient wird, beide dirigiert von den Banken. (...)
Den Bauern werden die Preise durch die EG-Politik vorgeschrieben, die von den Monopolen über die staatlichen Organe diktiert werden. Die Differenz zwischen den Erzeugerpreisen und den Verbraucherpreisen schluckt der Groß- und Einzelhandel. Die Erzeugerpreise werden niedrig gehalten und die Verbraucherpreise hochgetrieben. Der Großhandel, die Lebensmittel-Filialbetriebe und die Kauf- und Versandhäuser machen hohe Profite.
(Willi Dickhut: Wirtschaftsentwicklung und Klassenkampf, Revolutionärer Weg 13/1974, S. 128/129)
Seit Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im Jahr 1958 ist der gemeinsame Agrarmarkt für die Monopole der BRD von zweifacher Bedeutung: Erstens war die Zustimmung der BRD zum gemeinsamen Agrarmarkt eine Voraussetzung für die Bildung der Zollunion, an der die BRD zum ungehinderten Export von Industriegütern größtes Interesse hatte. Zweitens war der gemeinsame europäische Agrarmarkt eine entscheidende Bedingung für die bereits oben beschriebene beispiellose Expansion der Monopole in der Landwirtschaft. Auf der Basis eines einheitlichen Preissystems für Agrarprodukte schufen sie sich zusammen mit den übrigen Mitgliedsländern der EWG optimale Voraussetzungen für den Absatz stets wachsender Mengen von Agrarerzeugnissen.
Die Monopole nennen als Ziele ihrer Agrarpolitik die Steigerung der landwirtschaftlichen Einkommen, Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen oder Beiträge zur Lösung des Welthungerproblems. In Wahrheit nutzten sie den gemeinsamen Agrarmarkt und den EG-Agrarhaushalt jedoch zur schonungslosen Bereicherung auf Kosten von Millionen Klein- und Mittelbauern sowie der übrigen Werktätigen.
(Willi Dickhut: Krisen und Klassenkampf, Revolutionärer Weg 23, 1984, S. 47 f)
Die chronische Agrarkrise, die Mitte der fünfziger Jahre begonnen hat, ist eine auf die Klein- und Mittelbetriebe begrenzte Krise, gekennzeichnet durch massenhafte Vernichtung von kleinbäuerlichen Existenzen. Der Ausbruch einer allgemeinen, alle bäuerlichen Schichten umfassenden Agrarkrise konnte bisher durch Subventionen der in der EG zusammengefaßten Staaten verhindert werden.
(Willi Dickhut: Krisen und Klassenkampf, Revolutionärer Weg Nr. 23/1984, S.65)
Die wirtschaftliche Zerrüttung hat auch die auf den Export ausgerichtete Landwirtschaft in den abhängigen Ländern erfaßt. Während diese zum Zweck der Schuldenrückzahlung verstärkt mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen auf den Weltmarkt drängten, schwoll gleichzeitig die Produktion von Agrarüberschüssen in den USA und in der EG an. (...)
Die EG-Länder schützten ihre Agrarmärkte gegen die Konkurrenz aus den Entwicklungsländern mit bis zu 400prozentigen Einfuhrzöllen sowie zahlreichen weiteren Handelshemmnissen und gaben immer höhere Summen aus für den Aufkauf, die Lagerung und den subventionierten Export eines Teils der Lebensmittelüberschüsse in die Entwicklungsländer. So wuchsen die staatlichen Aufwendungen der EG für die Abschöpfung der Überproduktion unaufhörlich von 18 Milliarden DM im Jahr 1977 auf 38 Milliarden DM 1983. Ein Subventionswettlauf zwischen den USA und der EG um die Kontrolle des Weltagrarmarkts auf Kosten der abhängigen Länder begann.
(Klaus Arnecke, Stefan Engel: Der Neokolonialismus und die Veränderungen im nationalen Befreiungskampf, Revolutionärer Weg Nr. 25/1993, S. 232)
Nach dem II. Weltkrieg fand in der deutschen Landwirtschaft ein umfassender Strukturwandel statt, in dem die kapitalistische Großproduktion durchgesetzt wurde. Das war Ergebnis einer gemeinsamen staatlichen Regulierung der in der Europäischen Union (EU – vormals Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, EWG, und EG – Europäische Gemeinschaft) zusammengeschlossenen Staaten im Interesse des europäischen Finanzkapitals. (...)
Als 1987 die nicht absetzbaren Getreide- und Fleischberge und Milchseen über die Maßen anwuchsen und eine offene Agrarkrise in Europa drohte, war das Finanzkapital nicht mehr bereit, die Subventionierung der Überschussproduktion in bisherigem Umfang fortzusetzen. Die EU ging zu einer Politik der gesteuerten offenen Agrarkrise über. (...)
Das alles hatte nichts mit dem öffentlich proklamierten Abbau staatlicher Subventionen für die Landwirtschaft zu tun. Diese wuchsen sogar bis 1993 sprunghaft auf 54 772 Millionen Ecu an, was 28,7 Prozent der europäischen Agrarproduktion ausmachte. Der hauptsächliche Effekt der veränderten Agrarsubventionen war eine Exportoffensive der internationalen Agrarmonopole, um bei der Neuaufteilung der Weltmärkte im Rahmen der Neuorganisation der internationalen Produktion dabei zu sein.
(Stefan Engel: Götterdämmerung über der »neuen Weltordnung«, Revolutionärer Weg, Nr. 29–31/2003, S. 59–63)
Lenin hatte das Finanzkapital noch als das Ergebnis der »Verschmelzung oder Verwachsen der Banken mit der Industrie« beschrieben (»Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus«, Werke, Band 22, S. 230). Die Monopolisierung und Industrialisierung der gesamten Landwirtschaft führte zu einer neuen Erscheinung: zur Verschmelzung von Agrar-, Handels-, Bank- und Industriekapital im internationalen Maßstab. Damit wuchs auch die Landwirtschaft aus der nationalen Produktion heraus und wurde zum untrennbaren Bestandteil des internationalen Finanzkapitals.
Durch die Verschmelzung der Agrarmonopole mit dem Finanzkapital wurde eine weitere Stufe in der materiellen Vorbereitung des Sozialismus erreicht. Die Widersprüche zwischen Industrie und Landwirtschaft und zwischen Stadt und Land waren immer eins der großen Probleme beim Aufbau des Sozialismus. Nun bereitet das Finanzkapital selbst durch die Neuorganisation der internationalen kapitalistischen Produktion ihre Überwindung vor.
(Stefan Engel: Götterdämmerung über der »neuen Weltordnung«, Revolutionärer Weg, Nr. 29–31/2003, S. 68/69)
Die Neuorganisation der internationalen Lebensmittelproduktion und des Lebensmittelhandels wird als Kampf der größten internationalen Monopole um den Weltmarkt ausgetragen. (...)
So stellen sich internationale Agrarmonopole die Arbeitsteilung in der landwirtschaftlichen Produktion vor: Die vom Imperialismus abhängigen und unterdrückten Länder produzieren die Agrarrohstoffe im Massenumfang – natürlich zu Niedrigstpreisen – und die imperialistischen Metropolen liefern dann die verarbeiteten »Qualitäts«produkte zu Höchstpreisen.
(Stefan Engel: Götterdämmerung über der »neuen Weltordnung«, Revolutionärer Weg, Nr. 29–31/2003, S. 71/72