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Entwicklung der Arbeiter- und Volkskämpfe gegen die EU-Politik

Da die Krisenprogramme der EU-Länder einheitlich ausgerichtet sind, alle die Krisenlasten auf die Masse der Bevölkerung abwälzen sollen, bilden sie einen wichtigen Bezugspunkt, um die Kämpfe europaweit zu koordinieren.

(Stefan Engel: Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution, Revolutionärer Weg Nr. 32–34/2011, S. 372)





Seit der Neuorganisation der internationalen Produktion sind länderübergreifende Streiks in Betrieben internationaler Übermonopole zu einer neuen Erscheinung geworden. Sie erschüttern die kapitalistische Produktion am tiefsten und haben die Tendenz, schnell auf andere Länder überzugreifen, sich über Ländergrenzen hinweg zu einer Streikwelle auszudehnen. Am 7. März 1997 kam es in mehreren Renault-Werken in Frankreich, Spanien und Belgien zum ersten europaweiten Streik gegen die Schließung des Werks in Vilvoorde/Belgien mit 3 100 Beschäftigten und gegen die Vernichtung weiterer 2 700 Arbeitsplätze in französischen Werken. Am 25. Januar 2001 fand in fünf Ländern ein gemeinsamer Aktionstag von 40 000 Arbeitern aus General-Motors-Werken statt gegen die Stilllegung des Standorts Luton in Großbritannien. General Motors musste einen selbständigen unbefristeten Massenstreik aller europäischen Werke befürchten und nahm die Stilllegungspläne zurück. Solche Kämpfe weisen den Weg zum internationalen Befreiungskampf der Arbeiterklasse und der breiten Massen gegen den Imperialismus. In der Phase der Vorbereitung der internationalen Revolution können sie unter Führung der Marxisten-Leninisten zur wichtigsten Schule der gemeinsamen Aufgaben werden.

Der Kampf der europäischen Hafenarbeiter 2006 war der bis dahin am höchsten entwickelte international koordinierte Streik. Am 11. und 16. Januar streikten 40 000 Hafenarbeiter in nahezu allen wichtigen europäischen Seehäfen. In den beiden größten europäischen Häfen, Rotterdam und Antwerpen, wurde kein Schiff mehr abgefertigt. In Deutschland beteiligten sich rund 4 500 Hafenarbeiter in acht Häfen an Streiks und Protestversammlungen. Am 16. Januar demonstrierten außerdem etwa 8 000 Hafenarbeiter aus fast allen europäischen Ländern gemeinsam vor dem EU-Parlament in Straßburg. Auch Delegationen aus den USA und aus Australien waren vertreten. Die Polizei ging mit brutaler Härte gegen die wütenden Demonstranten vor – ohne Erfolg. Mit dem Druck der entschlossenen Demonstrationen und länderübergreifenden Streiks erreichten die europäischen Hafenarbeiter, dass das EU-Parlament am 18. Januar 2006 die EU-Richtlinie »Port Package II« ablehnen musste.

Eine aufschlussreiche neue Erfahrung brachte der europaweite Kampf gegen die nach ihrem Urheber benannte »Bolkestein-Richtlinie«. Nach ihr sollten Dienstleistungen künftig nach Tarifen aus dem Herkunftsland der Arbeiter und Angestellten bezahlt werden, was die Dumpinglöhne und die Verschärfung der Konkurrenz unter den Arbeitern zur Folge gehabt hätte. In Deutschland gelang es der Führung von DGB und attac, Desinformation und Desorganisation in die Protestbewegung zu tragen und den gemeinsamen Kampf der europäischen Arbeiter zu schwächen, sodass drei verschiedene Demonstrationen stattfanden. Gleichwohl demonstrierten im Februar 2006 150 000 Arbeiter und Angestellte aus ganz Europa in Straßburg/Frankreich gegen die Bolkestein-Richtlinie. Auf Initiative der MLPD traten dort acht revolutionäre Parteien und Organisationen aus Europa gemeinsam auf. (...)

Die EU sah sich aufgrund des länderübergreifenden Massenwiderstands, der sich 2006 formierte, gezwungen, die Bezahlung nach dem Herkunftsland aus der Richtlinie zu streichen. Bedeutender aber als dieser Erfolg waren die lebendigen Erfahrungen und das stolze Gefühl, die internationale Arbeitereinheit verwirklicht zu haben.

(Stefan Engel: Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution, Revolutionärer Weg Nr. 32–34/2011, S. 385–387)



Besonders lehrreich war der konzernweite Kampf bei Airbus, dem größten Geschäftsbereich des Konzerns EADS. (...) Die Bosse von EADS/Airbus taten alles, um Spaltung und Zwietracht unter die internationale Konzernbelegschaft zu tragen: zwischen die Stammbelegschaften einerseits und die Leiharbeiter oder die Beschäftigten der Zulieferbetriebe andererseits sowie zwischen die Standorte in Frankreich, Deutschland, England und Spanien. (...) Deshalb hatte der Kampf gegen »Power8« von Anfang an auch den politischen Aspekt eines Kampfs gegen die Regierungen. (...)

Die europäischen EADS/Airbus-Arbeiter gaben die einzig richtige Antwort. Zwischen dem 23. Februar und dem 1. März 2007 nahm eine Belegschaft nach der anderen den Kampf auf. Sie organisierten selbständige Streiks und Kampfaktionen an den Standorten in Varel, Nordenham und Laupheim in Deutschland, in den französischen Werken in Toulouse, Saint-Nazaire und Méaulte sowie Protestaktionen unter anderem in Hamburg und Bremen.

Um diese kämpferische Richtung zu stärken, ergriff die MLPD die Initiative zur Gründung von Solidaritätskreisen an allen EADS/Airbus-Standorten in Deutschland und zur Entsendung von Solidaritätsdelegationen nach Frankreich, Spanien und England. (...)

Den Reformisten gelang es dennoch, den Streik nach fünf Tagen wieder abzuwürgen. Sie kamen aber nicht umhin, der europaweiten Forderung der EADS/Airbus-Belegschaften nach gemeinsamem länderübergreifendem Kampf gegen die Angriffe des Konzerns Rechnung zu tragen. Für den 16. März 2007 rief der Europäische Metallgewerkschaftsbund zu einem europaweiten Airbus-Aktionstag auf. Zehntausende Beschäftigte von Airbus in Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien folgten dem Aufruf und setzten damit ein Signal für den gemeinsamen länderübergreifenden Kampf des Industrieproletariats gegen Regierungen und Monopole.

(Stefan Engel: Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution, Revolutionärer Weg Nr. 32–34/2011, S. 387–390)



Der Opel-Streik beeindruckte die ganze Arbeiterklasse in Deutschland und gab der Entwicklung des Klassenbewusstseins einen kräftigen Schub. Er setzte Maßstäbe für künftige Kämpfe und leitete den Übergang zur Arbeiteroffensive auf breiter Front ein.

Den Höhepunkt des Streiks bildete der internationale Kampftag der Opel-Belegschaften am 19. Oktober 2004. In 15 GM/Opel-Standorten in neun Ländern – Antwerpen/Belgien, Ellesmere Port und Luton/Großbritannien, Wien/Österreich, Glivice/Polen, Azambuja/Portugal, Trollhättan/Schweden, Figueruelas bei Saragossa/Spanien, in vier deutschen und drei brasilianischen Werken – beteiligten sich rund 100 000 Menschen. (...)

Der internationale Charakter des Opel-Streiks war unübersehbar. Die europäischen Automobilarbeiter siegten über die kleinbürgerlich-reformistische Standortpolitik, wollten sich nicht dem Konkurrenzkampf der internationalen Monopole unterwerfen. Der europaweite Streiktag bei Opel/GM markierte den bisherigen Höhepunkt des gemeinsamen länderübergreifenden Vorgehens des internationalen Industrieproletariats gegen die internationalen Monopole.

Inzwischen rückten unbemerkt bewaffnete Bürgerkriegseinheiten in Bochum ein und bereiteten sich auf die gewaltsame Räumung der Blockade des Betriebs vor, falls der Streik nicht von innen heraus zu brechen wäre. Aus Angst vor der Verschärfung des Klassenkampfs in Deutschland, vor der Ausweitung zum internationalen Klassenkampf und um der rechten Gewerkschaftsbürokratie Spielraum zu verschaffen, machte der GM-Vorstand das Zugeständnis einer Garantie des Standorts bis 2010. Sie war sehr allgemein gefasst und wurde später bis 2016 verlängert. Dem Betriebsrat gelang es schließlich, mit Druck, falschen Versprechungen und einer bewusst irreführenden Abstimmung eine Mehrheit für den Abbruch des Streiks zusammenzubringen. Dennoch prägten sich der selbständig organisierte Streik und der internationale Aktionstag tief in das proletarische Klassenbewusstsein ein. »Kämpfen wie bei Opel« wurde zum geflügelten Wort der klassenbewussten Arbeiter in Deutschland.

(Stefan Engel: Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution Revolutionärer Weg 32–34/2011, S. 425/426)



Die antikommunistische Propaganda hat den Klein- und Mittelbauern in Deutschland über viele Jahrzehnte eingeredet, die Marxisten-Leninisten wären bauernfeindlich, Bauernbewegung und Arbeiterbewegung wären Gegner. Umso wichtiger sind neue Entwicklungen im Kampf der europäischen Milchbauern. Nach wie vor ist die Milchproduktion in Europa zum größten Teil in klein- und mittelbäuerlicher Hand. Die EU will – im Auftrag der internationalen Handels- und Agrarmonopole – die Erzeugerpreise senken und von 2015 an die Milchquoten abschaffen. Das läuft auf gezielte Ruinierung der mittelbäuerlichen Milchproduzenten hinaus.

1998 gründete sich der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM). Er wurde bewusst in Opposition zum Deutschen Bauernverband gegründet, der vor allem die Interessen der Großagrarier und der Handels- und Nahrungsmittelkonzerne vertritt. Bis 2008 organisierten sich 34 000 der rund 100 000 Milchbauern aus Deutschland im BDM. 2006 entstand das European Milk Board als Dachverband, dem sich Milchbauernverbände aus ganz Europa anschlossen, um gemeinsam besser um höhere Erzeugerpreise kämpfen zu können.

Im Juni 2008 kam es zum ersten Milchlieferboykott in sieben Ländern Europas; in Deutschland beteiligten sich bis zu zwei Drittel der Milchbauern. Die MLPD erklärte ihre Solidarität, nahm die Zusammenarbeit mit den Milchbauern auf, machte den Kampf in der Arbeiterbewegung bekannt und stellte die einigende Forderung nach Erhöhung der Erzeuger- und Senkung der Verbraucherpreise auf Kosten der Handelsmonopole auf.

Als 2009 erneut eine Absenkung der Milcherzeugerpreise drohte, organisierten die europäischen Milchbauern weitere Lieferboykotte. In diesem Kampf entwickelte sich eine neuartige klassenkämpferische Tendenz. Die Milchbauern richteten ihre Kritik und ihre Forderungen statt wie früher vielfach gegen »die Verbraucher« nunmehr gegen die Agrarmonopole und die Regierung und organisierten die länderübergreifende Zusammenarbeit. Sie wandten sich gegen das mit ihren Produktionsüberschüssen durchgeführte Agrardumping auf dem Weltmarkt und die damit verbundene Verzerrung der Marktpreise und Zerstörung bäuerlicher Existenzen in den neokolonial abhängigen Ländern. Sie suchten Kontakte zu den dortigen kleinen und mittleren Bauern. Vor allem aber suchten sie Bündnispartner in der Arbeiterbewegung, waren offen für die Zusammenarbeit mit der kämpferischen Opposition.

(Stefan Engel: Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution, Revolutionärer Weg 32–34/2011, S. 474/475)



Seit Beginn des neuen Jahrtausends belebt sich international die Rebellion der Jugend. Kapitalismuskritik nimmt zu und hebt die Bewegung auf ein höheres Niveau. (...)

Als sich Ende 2008/Anfang 2009 die Arbeiter- und Volkskämpfe europaweit belebten, nahm auch die Rebellion der Jugend einen Aufschwung. Jugendliche beteiligten sich an den Aktionen gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen, aber gingen auch – relativ gleichzeitig in Italien, Griechenland und Frankreich – zu Hunderttausenden auf die Straße, um gegen die kapitalistische Bildungspolitik zu protestieren. Eine erneute Belebung der Rebellion der Jugend zeigte sich bei den internationalen Bildungsprotesten, die am 17. November 2009 in mehr als 30 Ländern stattfanden. Erstmals wurde eine »Globale Aktionswoche« über das Internet organisiert. Die Jugendlichen protestierten gegen die immer direktere Unterordnung des Bildungswesens unter die Interessen der internationalen Monopole, vor allem gegen die Privatisierung von Hochschulen und den Ausbau der Kurzstudiengänge. Die zeitweilige Besetzung von Hörsälen oder Rektoraten in den Universitäten und die Belagerung von Bankfilialen zeigte die Entschlossenheit der Schüler und Studenten.

(Stefan Engel: Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution, Revolutionärer Weg 32–34/2011, S. 508/509)