Das Aufblühen des neuen Liquidatorentums unter der Fahne der „Krise der marxistisch-leninistischen Bewegung“
Die steigenden Preise entwerten die Kaufkraft der Löhne und verwandeln die unzulänglichen Tariflohnerhöhungen Schritt für Schritt in einen realen Lohnabbau. Computertechnik, Automation und die Konzentration in der Produktion führen zu gesteigerter Arbeitshetze und Unterdrückung im Betrieb und zu Massenentlassungen vor allem in der Großindustrie. Das Ende der sozialen Reformen kündigt sich an. Eine Überproduktionskrise wird sich unausweichlich der jetzigen Offensive der Monopole auf die Arbeiterklasse anschließen. Für kommende Klassenauseinandersetzungen rüsten die Monopole ihren Gewaltapparat hoch. Der Arbeiter spürt, daß das nicht so weitergehen kann. Die Frage nach dem grundsätzlichen Ausweg – dem Sozialismus – wird lauter.
Dieser große Gedanke des Sozialismus wurde von den modernen Revisionisten in Mißkredit gebracht.
Gleichzeitig werden Säuberungswellen gegenüber Kommunisten von den neuen kapitalistischen Machthabern in China gemeldet. Liu Schatoschi – in der Großen Proletarischen Kulturrevolution als oberster Machthaber auf dem kapitalistischen Weg von den chinesischen Massen entlarvt, seiner Ämter enthoben und aus der Partei ausgeschlossen – wird heute als „großer Revolutionär“ rehabilitiert. Die neue Führung hat China heute zur Brutstätte eines weltweit aufkommenden Liquidatorentums gemacht.
Auch in Westdeutschland hat sich vor dem Hintergrund der Verschärfung der Klassenwidersprüche und unter dem ideologischen Einfluß der neuen chinesischen Revisionisten eine starke Strömung der ideologischen Desorientierung, der politischen Zerfahrenheit und Liberalisierung und des organisatorischen Verfalls herausgebildet. Unter der Fahne der „Krise der marxistisch-leninistischen Bewegung“ drängen viele kleinbürgerliche Elemente weg von der Arbeiterbewegung und suchen ihr Glück in der „realen Bewegung“ der Grünen, Bunten und sonstiger bürgerlich-demokratischer Aktionen. Die Bourgeoisie beklatscht und fördert diese kleinbürgerliche Strömung, weil sie geeignet ist, im Prozeß des Aufbaus der revolutionären Arbeiterpartei neue Verwirrung unter die Arbeiter zu tragen. Ihr Ziel ist die Liquidierung der hoffnungsvollen Ansätze der Marxisten-Leninisten im Parteiaufbau.
Der Zerfall der Studenten-KPD
Das wohl markanteste Beispiel dieser liquidatorischen Strömung gibt die kürzlich eingegangene „KPD“ ab. Sie erklärt selbst: „… unsere Partei, die in der Nachfolge der Studentenbewegung entstanden ist, muß heute, nach fast zehnjähriger Existenz feststellen: ihre ursprünglichen Vorstellungen über den Weg zum Sozialismus oder zum Aufbau der Partei des Proletariats waren illusorisch; der Weg … ist gescheitert …“ (Ständiger Ausschuß des ZK der „KPD“, „Zur Einberufung des III. Parteitages“, in: „Zur Bilanz und Perspektive der KPD. Beiträge zur Diskussion 'Über die Kommunistische Partei'“, 1/80, S. 5)
Jeder, der sich mit der „KPD“ beschäftigt hat, weiß, daß dieser Bankrotterklärung, der am 8./9.3.1980 die Selbstauflösung folgte, ein zehnjahrelanger Führungsanspruch gegenüber der Arbeiterbewegung vorausging. Dieser wurde kraft der eigenen Ideen angemeldet, die in nahezu allen Fragen ein Zerrbild des Marxismus-Leninismus darstellten. So wurde sektiererische RGO-Politik von opportunistischem Anbiedern an die rechte Gewerkschaftsbürokratie abgelöst. Der Schwerpunkt internationale Solidarität wich der sozialchauvinistischen „Vaterlandsverteidigung“ gegenüber dem sowjetischen Hegemonismus. Wahrlich ein Höhepunkt dieser ideologisch-politischen Irrwege ist die Theorie von der „Krise des Marxismus“. Die Kleinbürger und Herrensöhnchen in der „KPD“-Führung wie Semler und Horlemann wollen ihr Versagen und den Schaden, den sie angerichtet haben, dem Marxismus-Leninismus und damit der Arbeiterbewegung in die Schuhe schieben. In kleinbürgerlicher Manier machen sie selbst aus ihrem Gang auf den Misthaufen der Geschichte noch einen Triumphzug, indem sie den wissenschaftlichen Sozialismus mitzerren wollen. Ihre Entfernung von der Arbeiterbewegung bringen die Studenten-Führer der „KPD“ dadurch zum Ausdruck, wenn sie sich fragen, ob „das bisher von marxistischen Theorien Entwickelte über den bürgerlichen Staat oder die kapitalistischen Produktionsverhältnisse in jeder Hinsicht hinfällig geworden …“ sei. (Ständiger Ausschuß, in: Zur Bilanz und Perspektive …, S. 8; Hervorhebung – Verf.)
Logische Schlußfolgerung dieser Theorie ist die völlige Abkehr vom Klassenkampf der Arbeiter: „Wir treten ein für ein Näherrücken der von linken Teilen der Sozialdemokratie beeinflußten Arbeiterbewegung mit den fortschrittlichen Kräften der grünbunten Bewegung und Marxisten und Kommunisten gegen den Rechtsblock in unserem Land.“ (Ständiger Ausschuß, ebenda, S. 8)
Die Führer der „KPD“ sind in ihrer „Kritik“ am Marxismus an jenem Punkt wieder angelangt, wo alle dem Klassencharakter nach kleinbürgerlichen Organisationen aufgebrochen sind: beim Marxismus als „kritische Wissenschaft“. Weg von der Wissenschaft, hin zur Utopie!
Der „extreme Demokratismus“ im Kommunistischen Bund/Nord führt in den Sumpf
Auch der KB/Nord marschiert unter der Parole „Krise der ML-Bewegung“ mit. Sein Rezept ist die nun seit Jahren andauernde „demokratische“ und öffentliche Debatte über alles, was das Herz begehrt. Das Ergebnis ist der Zerfall in vielfältige Fraktionen und Zirkel innerhalb des KB und ein Aufgehen in der kleinbürgerlich-spontanen Bewegung der Grünen und Bunten. Als weiteren Weg gibt die Führung des KB/Nord an, „den Gang der Entwicklung zu analysieren und einzuschätzen, sich intensiv mit den Strömungen der Linken und der demokratischen Bewegungen auseinanderzusetzen, orientierend zu wirken.“ („Arbeiterkampf“ Nr. 168, S. 5). Der Kampf der Arbeiterklasse soll auch künftig also nur eine untergeordnete Rolle spielen. Wichtig ist nur, den Anschluß an die verschiedenen „Strömungen“ und „Bewegungen“ nicht zu verlieren. Lenin setzte sich jahrelang mit solchen Auffassungen auseinander:
„Die Einheit der Arbeitermassen und nicht eine „Vereinbarung“ auf Kosten dieser Einheit mit den intellektuellen Spalterzirkeln der Liquidatoren, das ist es, was die klassenbewußten Arbeiter wollen.“ (Werke, Bd. 18, S. 148)
Die „undogmatischen“ Grünen und Bunten werden von den Monopolen als Sammelbecken kleinbürgerlicher Auffassungen hochgepäppelt
Während „KPD“ und KB/Nord ihr Scheitern des kleinbürgerlichen Führungsanspruchs mit der Abkehr von der Arbeiterbewegung beantworten, tun die Monopole und ihre Massenmedien alles, um die „undogmatischen“ Grünen als Sammelbecken der „Gesamtalternative zu Kapitalismus und Sozialismus“ hochzuspielen.
Eigens dafür erscheint der „linke“ Bahro auf der Bildfläche und erteilt Ratschläge an die „Linken“:
„ ,Nicht rechts, nicht links, sondern vorn' kann ein gutes Selbstverständnis sein“ und: „Ich persönlich bin der Meinung, es wäre ein Fortschritt im Sinne unserer linken Position (und nicht nur gegenüber den Grünen), wenn sich die zentralistisch strukturierten Gruppen auflösen würden.“
Das ließ sich die Studenten-KPD nicht zweimal sagen und löste sich auf. Und was Bahro kurz als „vorn“ kennzeichnete, stellte sich bei den Grünen so dar: Unter der Parole „gewaltfrei, ideologiefrei (sollte das ein anderer Begriff für kopflos sein? – Verf.) und basisdemokratisch“ werben sie für das „Freimachen von der Überschätzung des Lebensstandards und Besinnen auf die wahren Werte und Grenzen unserer Natur“ (Programmentwurf der Grünen, Baden-Württemberg) und den Verzicht zugunsten der Völker der „3.Welt“. Und damit hätten wir schon das Hauptproblem der Arbeiterklasse: ihr geht's zu gut!
Die Forderungen der Grünen kennzeichnen die Wunschträume der Kleinproduzenten und kleinbürgerlichen Schichten: Dezentralisierung der Produktion, Entflechtung der Großkonzerne, Verwandlung in überschaubare Mittelbetriebe und die Bestrafung der „Verfilzung“ von Wirtschaft, Regierung, Parlament und Bürokratie. Diese Forderungen sind jedoch nicht nur illusionär, sondern zudem auch reaktionär, weil sie das Rad der Geschichte rückwärts drehen wollen. Wir Kommunisten gehen jedoch davon aus, daß „der staatsmonopolistische Kapitalismus die vollständige m a t e r i e l l e Vorbereitung des Sozialismus, seine unmittelbare V o r s t u f e ist, denn auf der historischen Stufenleiter gibt es zwischen dieser Stufe und derjenigen, die Sozialismus heißt, keinerlei Zwischenstufen mehr.“ (Lenin, Werke, Bd. 25, Seite 370)
Die Grünen stellen letztlich nichts anderes dar als eine Spielart des Reformismus mit dem Ziel der Verwischung der Klassengegensätze und der völligen Aufgabe des Klassenkampfes. Ihr objektiver Auftrag ist, Katalysator der Liquidierung des Aufbaus der marxistisch-leninistischen Partei zu sein.
Ein neuer Aufguß von der bankrotten These von der Hauptseite Theorie
In unmittelbarem Zusammenhang mit dem Abgleiten vieler kleinbürgerlicher Elemente innerhalb der marxistisch-leninistischen Bewegung zum kleinbürgerlichen Sozialismus steht die Bildung einer neuen Bewegung „Hauptseite Theorie“. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, „jetzt die theoretische Klarheit über den Gang der Revolution in Westdeutschland zu gewinnen, um diese später auch praktisch durchführen zu können; sie muß jetzt einen Stamm von geschulten Genossen heranbilden, um später, wenn der Massenkampf ausbricht, dessen Führung übernehmen zu können.“ (Aufsätze zur Diskussion, März 79, S. 15)
Diese Auffassungen sind so alt wie die junge marxistisch-leninistische Bewegung selbst. Bereits 1970 bei der ersten Spaltung der KPD/ML meldeten die kleinbürgerlichen Intellektuellen mit dem Argument, sie müßten erst die Theorie schaffen, bevor die Praxis entfaltet werden könne, ihren Führungsanspruch an und spalteten die Organisation.
Und immer in den vergangenen zehn Jahren, wenn die kleinbürgerlichen Elemente, die sich der jungen marxistisch-leninistischen Bewegung in Westdeutschland angeschlossen hatten, mit ihrem Latein am Ende waren, wenn ihre idealistischen, sektiererischen oder auch volkstümlerischen Ansichten scheiterten, wenn der Klassenkampf einen anderen Weg nahm, als sie es sich in ihren weltfremden Träumereien vorstellten, dann kann die Theorie von der „Hauptseite Theorie“ auf.
Wenn also heute unter dem Eindruck des Scheiterns verschiedener kleinbürgerlicher, sich „marxistisch-leninistisch“ nennender Organisationen die bankrotte „Hauptseite Theorie“ erneut aufgegossen wird, dann wollen solche Leute doch nichts anderes, als die Gunst der Stunde nutzen, um erneut den kleinbürgerlichen Führungsanspruch anzumelden. Das aber werden die klassenbewußten Arbeiter zu verhindern wissen. „Die Arbeiter, die sich nicht an der Nase herumführen lassen wollen, müssen jedes Grüppchen sowohl auf die Ernsthaftigkeit seiner Ideen als auch auf seine Wurzeln in den Massen hin untersuchen.“ (Lenin, Werke, Bd. 20, S. 358). Das ist dringend notwendig, denn: „Alle diese Grüppchen stellen ohne jede Ausnahme ein einziges Abenteurertum dar.“ (ebenda, S. 360)