Frauentag

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110 Jahre Internationaler Frauentag: „Heldinnen des Alltags“ – wie steht es um die Befreiung der Frau?

Das geflügelte Wort von den „Heldinnen des Alltags“ hat vor allem seit Beginn der Corona-Pandemie Konjunktur.

110 Jahre Internationaler Frauentag: „Heldinnen des Alltags“ – wie steht es um die Befreiung der Frau?

Gemeint sind damit die berufstätigen Frauen, die nebenher das Homeschooling ihrer Kinder managen oder in sogenannten „systemrelevanten Berufen“ ohne ausreichenden Gesundheitsschutz arbeiten und viele Frauen mehr. Zweifellos ist es bewundernswert, was die Masse der Frauen besonders aus den Arbeiterfamilien gegenwärtig leistet. Doch schon im April letzten Jahres verwahrten sich Frauen aus den Gesundheits- und Pflegeberufen gegen geheuchelte Schmeicheleien der bürgerlichen Politiker: „Schon mal mit Klatschen die Miete bezahlt?“ In der Krise ist die Bedeutung der Familie als kleinste Solidargemeinschaft der Arbeiterfamilien gestiegen. Es gibt eine Vielzahl an Initiativen solidarischer Nachbarschaftshilfe. Das war eine Grundlage, dass das alltägliche Leben trotz dem gescheiterten Krisenmanagement überhaupt funktioniert hat. Aber: Tatsache ist, dass sich unter den Bedingungen der Weltwirtschafts- und Finanzkrise und der Corona-Pandemie trotz verschiedener Zugeständnisse die besondere Ausbeutung und Unterdrückung der Masse der Frauen enorm verstärkt hat.


Längst hält das „Heldinnen“-Wort auch im Vorfeld des Internationalen Frauentags am 8. März Einzug. Die Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD hat ihre Aktivitäten dieses Jahr ganz unter dieses Motto gestellt. Ihr Landesbüro in Brandenburg veranstaltet eine virtuelle Auftaktveranstaltung. In der Einladung heißt es: „Superheldinnen sind am Limit. Alte Rollenbilder und neue Erwartungen überlasten die Lebensrealitäten von Frauen.“ Dass viele Frauen am Limit stehen, steht außer Frage. Auch die Kritik an reaktionären Rollenbildern ist berechtigt. Aber in punkto Ursachenforschung liegt die reformistische Stiftung voll daneben. Das hauptsächliche Problem sind nicht irgendwelche Vorstellungen über die Rolle der Frau, es liegt in den Lebensrealitäten selbst begründet, die wiederum ganz bestimmte Rollenbilder hervorbringen. Danach muss man nur sein Rollenbild überprüfen, die Erwartungen etwas verändern und kann höchst fein die Finger davon lassen, die kapitalistischen Lebensrealitäten zu hinterfragen. So wird die berechtigte Würdigung von Frauen, die in Leben, Alltag und Kampf Großes leisten, reformistisch missbraucht.


Müssen wir da „irgendwie durch“?


Frauen zeigen in diesen Krisenzeiten einen großen Einsatz: Den Online-Unterricht der Kinder betreuen, das komplizierte Leben in den Familien organisieren, nebenher im Homeoffice oder „auf der Arbeit“ notwendiges Geld verdienen und so weiter. Weit verbreitet ist aber auch das pragmatische Herangehen, dass man da jetzt halt irgendwie durch muss. Eine Altenpflegerin schreibt: „Es ist die scheinbare Alternativlosigkeit, den Pflegenotstand irgendwie etwas auszugleichen durch mehr persönliche Anstrengungen.“ Von der Bundesregierung wird die Individualisierung gesellschaftlicher Probleme gezielt gefördert und verbreitet. So schreibt sie in ihrem Internet-Auftritt zwar: „Familien sind in besonderer Weise von den Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie betroffen.“ Aber dafür hätte sie ja Kinderbonus und dergleichen gewährt. Das ändert aber nichts daran, dass die gesellschaftlichen Aufgaben in der Erziehung und Betreuung noch mehr auf die Familien abgewälzt werden.


Bei den Müttern erhöhte sich die Zahl der Stunden für Haus- und Familienarbeit mit der aktuellen Krise von 6,6 auf 7,9 täglich, die wurde quasi zum Fulltime-Job.1 „All diese Rollen – Mutter, Lehrerin, Köchin, Angestellte – zu bedienen“, sagt die 36-jährige Denise, „geht einfach nicht, wenn du im Homeoffice arbeitest.“ Solange man aber mehr als genug damit beschäftigt ist, alles individuell zu lösen, bleibt dann auch scheinbar keine Zeit mehr für die Organisierung. Die braucht man aber, um die Probleme gesamtgesellschaftlich anzugehen. Denn warum sollte jede Frau und Familie individuell versuchen zu lösen und zu kitten – was ganz augenscheinlich mit der angeblichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht zu lösen ist? Stattdessen ist es notwendig, dagegen zu kämpfen, dass immer mehr in die Familie zurückverlagert wird, statt die Lösung dieser Aufgaben gesamtgesellschaftlich zu organisieren.


Gleichzeitig gibt es ideenreiche Initiativen von Eltern, das Leben kollektiver zu gestalten. So berichten Eltern aus Darmstadt: „Mit den Kindern haben wir es so gelöst, dass wir im familiären Umfeld reihum die Verantwortung für sie aufteilen. Wir haben in der Nachbarschaft verabredet, wer draußen Freizeitaktivitäten mit den Kindern organisiert.“ Die MLPD hat in ihrem Sofortprogramm vielfältige Vorschläge entwickelt, wie man Hunderttausende Menschen in die gebotene Betreuung von Klein- oder Kleinstgruppen für Kinder und Jugendliche einbeziehen könnte. In der kämpferischen Frauenbewegung und der Arbeitersolidarität muss noch mehr gegenseitige Hilfe angeboten werden, verbunden mit dem gesellschaftlichen Kampf geleitet von der Perspektive des echten Sozialismus.


Im Sozialismus würde man das ganz anders anpacken!


Im Programm der MLPD heißt es dazu: „Die Familie wird schrittweise von ihrer Funktion als Wirtschaftseinheit befreit und die private Verantwortung für die Produktion und Reproduktion des unmittelbaren Lebens geht immer mehr in gesellschaftliche Verantwortung über. Alle Potenziale der Frauen für den sozialistischen Aufbau kommen zum Tragen und werden im Arbeitsleben, in den persönlichen Beziehungen ebenso wie im politischen oder kulturellen Leben gefördert.“


Im Aufbau des damals noch sozialistischen China diskutierten die Frauen intensiv, ob die zu lösenden Fragen vor allem persönliche Probleme sind oder gesellschaftliche, die nur gemeinsam gelöst werden können. Eine große Krise war die durch Dürren ausgelöste Hungerkatastrophe von 1962. Frauen im Erdölfördergebiet Datjing begannen einzeln, die Gemüsefelder in der Nähe ihrer Wohnungen zu bebauen. Eine Mutter kritisierte, dass dies nur ein Notbehelf ist und schlug vor, dass Frauen gemeinsam die Gegend pers­pektivisch in eine Industrie- und Landwirtschaftssiedlung verwandeln. Immer mehr Frauen organisierten sich in der Brigade, Fragen wie Kinderbetreuung und Unterricht wurden kollektiv gelöst und im selben Jahr konnten sie 3850 Pfund Sojabohnen ernten.2 So können im Sozialismus die schwierigsten Probleme gelöst werden. Das gilt erst Recht heute, wo es modernste Technik gibt oder einen enormen gesellschaftlichen Reichtum.


Es ist wichtig, dass Frauen sich nicht damit abfinden, alles herauszureißen, sondern sich organisieren und über den Tellerrand der ihnen heute aufgezwungenen Lebensverhältnisse hinausschauen. Die konkret geführten Kämpfe zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse sind eine Schule des Kampfes um den Sozialismus und die Befreiung der Frau.


Das anhaltende Problem der „Lohnlücke“


Im Aufruf des DGB zum Internationalen Frauentag heißt es: „Mehr denn je setzen wir uns heute ein für die Überwindung der Lohnlücke und der ungleichen Verteilung von Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern.“ Obwohl die Erwerbstätigkeit von Frauen bis 2016 auf 78 Prozent gestiegen ist, leisten Frauen das Gros der Hausarbeit. Mit dem Abbau sozialer Errungenschaften wuchs das Volumen der unbezahlten Hausarbeit. Es ist richtig, wenn das und die geringere Entlohnung von Frauen in der gewerkschaftlichen Arbeit viel mehr zum Thema gemacht und bekämpft wird.


Aber die geringere Bezahlung der Frauen ist keine zufällige „Lohnlücke“. In Deutschland verharrt der Unterschied in der Bezahlung von Männern und Frauen seit Jahrzehnten bei durchschnittlich 23 Prozent. 2019 war er erstmals auf 20 Prozent gesunken. Pro Arbeitsstunde bedeutete das 2018 für Frauen 4,37 Euro brutto weniger.3 Frauen sind besonders von Altersarmut bedroht. Die Arbeit der Frauen wird deshalb niedriger entlohnt, weil sie nicht uneingeschränkt für die kapitalistische Ausbeutung zur Verfügung stehen. Auch die männlichen Arbeiter werden  ausgebeutet. Arbeiterinnen werden wegen der ihnen zugeschriebenen Rolle in der Familie doppelt ausgebeutet. Die „Lohnlücke“ wird so wenig verschwinden wie sich die kapitalistische Ausbeutung einfach in Luft auflöst. Ungleiche Bezahlung als Ausdruck des kapitalistischen Lohnsystems kann erst vollständig überwunden werden mit der Abschaffung dieses auf Ausbeutung beruhenden Lohnsystems.


Wofür die „alten weißen Männer“ alles herhalten müssen …


Stella Schulz-Nurtsch, Stadtverordnete der SPD in Frankfurt/Main, schreibt auf deren Webseite: „Wir kämpfen für die Rechte der Frauen und wollen, dass Männer und Frauen gleichgestellt sind.“ Dann stellt sie die aktuellen Rückschritte dar und meint: „Ich frage mich, wieso das so ist: … Hat es etwas damit zu tun, dass die Wirtschaft noch immer hauptsächlich von alten, weißen Männern bestimmt wird?“


Es liegt uns fern, reaktionäre alte weiße Männer wie Donald Trump in Schutz zu nehmen. Aber das Gerede vom angeblichen Hauptproblem mit alten, weißen Männern ist extrem vordergründig und durchsichtig. Die kapitalistische Wirtschaft wird ja nicht ausschließlich von „alten, weißen Männern“ bestimmt. Die Vorstandsvorsitzende von Thyssenkrupp, Michaela Merz, kassierte einen satten Bonus für ihre drastische Arbeitsplatzvernichtung im Konzern. Die Klage über zu wenig weibliche Führungskräfte verkommt letztlich zur Begleitmusik für neue Initiativen der Bundesregierung für Frauenquoten in Spitzenpositionen, die nichts an der Lage der Masse der Frauen ändern. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ja auch nicht die Frauenbefreiung in Deutschland eingeführt. Sie verantwortet maßgeblich das bürgerliche Krisenmanagement in Deutschland. Nebenbei gibt es auch ältere, weiße Männer, die in der Arbeiterbewegung beziehungsweise revolutionär engagiert sind oder sich aus anderen Motiven selbstlos für die Befreiung der Frau einsetzen.


Was sich in manchen Ohren vielleicht radikal anhört, spaltet Arbeiter- und Frauenbewegung und nimmt das kapitalistische System in Schutz. Dazu heißt es im Programm der MLPD: „Das gesellschaftliche Leben ist vollständig dem Prozess der Maximalprofit bringenden Produktion und Reproduktion von Waren unterworfen. Während der Prozess der Lebensmittelproduktion vergesellschaftet ist, wird die Erhaltung und Fortpflanzung der Gattung Mensch weitgehend der Einzelfamilie privat auferlegt. Auf diesem Widerspruch beruht die gesellschaftliche Ungleichheit von Mann und Frau im Kapitalismus.“ Die MLPD weist deshalb darauf hin, dass die Lösung der sozialen Frage es erfordert, die kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit ebenso zu überwinden wie die bürgerliche Staats- und Familienordnung.


„Neue Freiheit“ im Homeoffice?


„Nimm dir die Freiheit im Homeoffice, die du jetzt brauchst.“ Das schreibt Karriere-Coach Dr. Bernd Slaghuis für die Jobbörse Xing. Demnach muss man sich nur arrangieren mit der Situation und die „neue Freiheit“ genießen: Frei zu sein von festen Arbeitszeiten, von Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz, vom Eingezwängtsein in Großraumbüros. Natürlich kann Homeoffice – wo es möglich ist – zeitweise auch sinnvoll sein. Aber ist schrankenloses Homeoffice die Freiheit, die werktätige Frauen brauchen?

Fast die Hälfte der Frauen fühlt sich an ihre körperliche, psychische und emotionale Grenze gebracht. Die „Freiheit“ des Homeoffice besteht vor allem darin, das ganze Leben noch flexibler der Anforderung der kapitalistischen Ausbeutung unterzuordnen. Die werktätigen Frauen müssen sich im Gegensatz dazu die Freiheit nehmen, gegen Ausbeutung, für kürzere Arbeitszeiten zu kämpfen und sich zu organisieren.


Erwachendes Frauenbewusstsein contra Rechtsentwicklung


Der weltanschauliche Kampf um die Frage der Befreiung der Frau ist in der weltweiten Polarisierung und im fortschrittlichen Stimmungsumschwung entbrannt. Die Kritik an der Abwälzung der Krisenlasten auf die Arbeiterklasse und breiten Massen und damit auch die Frauen und Familien nimmt zu. Auch eine ultrareaktionäre Gegenpropaganda setzte ein. Sogenannte „Antifeministen“ kehren den Geschlechterkampf einfach um und fabulieren von Männern als Opfer der „Gender-Ideologie“. Die wachsende Krisenhaftigkeit des imperialistischen Weltsystems drückt sich auch in einer Vertiefung der Krise der bürgerlichen Familienordnung, in reaktionärer Gewalt gegenüber Frauen, Prostitution und Frauenhandel und zunehmender sexueller Gewalt gegen Frauen und Kindern aus. In vielen Ländern wie Polen ist die Frauen­bewegung zahlenmäßig eine der stärksten Kräfte im Kampf gegen die ultrareaktionäre Regierung, und Industriearbeiterinnen stehen als Teil des internationalen Industrieproletariats an der Spitze des Kampfs gegen die Rechtsentwicklung. Proteste in Brasilien in über 65 Städten mit Forderungen „Impfung für alle“ und „Auszahlung von 500 Reais Coronahilfen pro Monat“ richten sich gegen die faschistoide Regierung Bolsonaro.4 Die kämpferische Frauenbewegung hat weltweit in den letzten Jahren vielen Ländern Massencharakter erreicht, wozu die Weltfrauenbewegung (siehe Seite 26) einen wichtigen Beitrag leistete.


8. März – Corona-gerecht auf der Straße!


Die Kritik am gescheiterten Krisenmanagement muss unüberhörbar den Internationalen Frauentag 2021 prägen. Es ist wichtig, dass der 8. März 2021 – entgegen einer weitgehenden Verlagerung ins Internet – breit, unüberhörbar und unübersehbar auf der Straße stattfindet – natürlich unter Corona-Gesundheitsschutzbedingungen.

Es geht um den Kampf gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die Arbeiterklasse, besonders die Masse der Frauen und Familien. Eine wichtige Rolle spielt auch die Forderung nach einem echten, zeitweisen Lockdown auf Kosten der Monopolprofite. Es ist ein ureigenstes Anliegen der kämpferischen Frauenbewegung, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen, damit sie sich massenhaft entfalten und mit der Arbeiterbewegung immer enger zusammenschließen kann.

Die MLPD fördert in ihrer marxistisch-leninistischen Frauenarbeit den breiten überparteilichen Zusammenschluss der Masse der Frauen. Dagegen spaltet jede Art antikommunistischer Ausgrenzung. Die kämpferische Frauenbewegung braucht die Perspektive der Befreiung der Frau in einer befreiten Gesellschaft. Sie gibt ihr Kraft, Perspektive und verbindet sie mit anderen gesellschaftlichen Bewegungen. Im echten Sozialismus wird diese Befreiung der Frau Wirklichkeit werden.